Last Updated on 16. Juli 2024 by Gela
Was tun Eltern nicht alles, um Kinder im Urlaub bei Laune zu halten? Ich verlasse dazu mitunter gänzlich meine Komfortzone – zuletzt beim Rafting auf dem Wildwasser Fluss Noce im italienischen Val di Sole. In diesem Erlebnisbericht erfahrt ihr, was bei einer Rafting Tour auf euch zukommt – Tipps zur Vorbereitung und ungeschönte Erfahrungen inklusive.
Wie alles begann
Es war der 4. August 2023. Am Vorabend sind wir auf dem Wohnmobilstellplatz in Dimaro angekommen. Der Ort liegt zentral im Val di Sole, das sich am Fluss Noce entlang in Ostwest-Richtung zwischen dem Nationalpark Stilfser Joch und den Brentadolomiten und der Adamello-Gruppe erstreckt.
Der Noce gilt als eines der weltbesten Rafting-Reviere und eine von wenigen Top-Rafting-Destinationen in Europa. Regelmäßig finden dort internationale Rafting-Meisterschaften statt. Weil der Fluss kaum ruhige Abschnitte hat, verspricht er Rafting-Fans viel Vergnügen.
Die Rafting Tour auf dem Noce hatte ich meinem Sohn schon vor dem „Urlaub“ versprochen, der eigentlich eine Recherchereise für meinen Reiseführer Entdeckertouren mit dem Wohnmobil im Trentino und am Gardasee* war. Das Wildwasser Rafting war Wochen im Voraus gebucht und der Stellplatz war danach ausgewählt. Beides wird organisiert vom Outdoor-Anbieter Trentino Wild, der zahlreiche weitere Outdoor-Aktivitäten für Familien im Trentino im Programm hat. Unsere Rafting Tour startet direkt am Stellplatz – super praktisch!
Während der Junior diesem Tag entgegenfiebert, wächst meine Angst, je näher der Termin rückt. Eigentlich bin ich kein Angsthase und für Outdoor-Aktivitäten aller Art immer zu haben. Nur mit schäumendem Wasser habe ich ein Problem, seit mich der Atlantik auf La Gomera einmal so durchgespült hat, dass ich ohne fremde Hilfe nicht mehr herausgekommen wäre. Das ist zwar mehr als 20 Jahre her. Aber die Angst sitzt immer noch tief und macht sich immer mehr breit, je näher unser Abenteuer auf dem sprudelnden Noce rückt.
Vorbereitungen auf die Rafting Tour
Nach einer unruhigen Nacht wache ich sehr früh auf. Das Rafting startet am frühen Nachmittag. Den Vormittag nutze ich für einen Spaziergang zum Ort Dimaro am Fluss entlang. Der Anblick des Wildwassers schickt mir einige Schauder den Rücken hinab.
Zur gebuchten Zeit finden wir uns am Empfang von Trentino Wild ein. Mit uns stehen da knapp 20 Leute. Sie werden in englischsprachige und italienischsprachige Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bekommt einen Guide, der die Anweisungen erteilt. Unserer macht das mit einer guten Portion Humor.
Zunächst braucht jede:r Teilnehmende einen Neoprenanzug. Die schweren Teile müssen erst einmal umgedreht werden, bevor man in der Umkleide die trockenen Klamotten gegen das Wetsuit tauscht. Das Anziehen wird zum Intelligenztest – der Guide kündigt scherzhaft Strafzahlungen für alle an, die das unhandliche Teil nachher verkehrt herum tragen. Als alle im Neopren zurück sind, bekommt jede:r noch einen Helm und eine Sicherheitsweste. Dann beginnt die Einführung.
Ist Rafting gefährlich? Einführung und Sicherheitstipps
Rafting ist Teamsport. Buchstäblich sitzen alle in einem Boot. Doch auf jedem Raft (englisch für Floß) gibt es einen, der das Kommando hat. Die Kommandos muss man kennen, bevor das Rafting startet. Also lernen wir bei der Einführung zunächst etwas italienisch: „Avanti“ heißt vorwärts, bei „Indietro“ sollen wir rückwärts paddeln und wenn der Chef „Al Fondo“ ruft, sollen wir uns schleunigst ins Innere des Rafts hocken. Das alles wird in Trockenübungen geprobt. Mein Adrenalin steigt.
Dann kommen die Sicherheitshinweise. Der Guide erklärt, wie man sich verhalten soll, wenn man aus dem Boot fällt: Nicht versuchen aufzustehen, denn dann kann einem die Wucht des Wassers die Füße wegreißen und die Knöchel brechen. Möglichst ruhig mit der Strömung gleiten, wenn möglich Richtung Raft.
Mein Unbehagen wächst. Der Guide führt vor, wie jemand aus dem Wasser wieder ins Raft zurückkommt: Er oder sie wird einfach an den Schulterschlaufen der Sicherheitsweste hochgezogen. Das sieht nicht gerade sanft aus. Dann erfahren wir noch, was passiert, wenn das ganze Boot kentert. Der Guide versichert uns, dass wir auch unter dem Raft sicher sind. Weil es hinten und vorne höher ist, kommt an den Seiten Luft herein.
Ich finde das keineswegs beruhigend. Im Gegenteil: Die Sicherheitshinweise haben mir nur vor Augen geführt, wovor ich Angst habe, und nun steigen mir vor Angst fast die Tränen in die Augen. Ich bekomme eine Ahnung davon, wie sich Menschen mit Flugangst fühlen müssen, bevor sie in ein Flugzeug steigen.
Das erste Mal Rafting mit Kind – jetzt geht’s los!
Kurz bin ich versucht, es einfach bleiben zu lassen. Aber ich trage ja die Verantwortung für meinen Sohn und muss mit auf die Rafting Tour. Also schicke ich ein paar Stoßgebete ins Universum, verlasse meine Komfortzone und steige in den Bus, mit dem wir zum Startpunkt am Fluss fahren. Die Sitze sind mit wasserabweisendem Gummi überzogen.
An der Einstiegsstelle beginnt sofort das Teamwork: Gemeinsam mit einer vierköpfigen italienischen Familie und unserem Guide Arnold tragen wir unser Boot zum Wasser. Spoiler: Das war rückblickend das Schlimmste an der ganzen Raftingtour – nur übertroffen vom Zurücktragen des Rafts. Denn die Schlauchboote sind zwar mit Luft gefüllt, aber eben aus robustem Gummi, der auch Zusammenstöße mit Felsen übersteht.
Arnold – der Spitzname kommt nicht von ungefähr, denn unser Guide ist muskelbepackt – weist uns die Plätze im Raft zu. Zwei weitere Schlauchboote starten bereits. Bald gleitet auch unser Boot auf den schäumenden Fluss, und es gleitet zunächst ganz ruhig dahin. Diese Zeit nutzt Arnold, um mit uns alle Kommandos noch einmal zu üben. Nicht immer paddeln alle nach vorne oder rückwärts. Zum Wenden und Lenken muss auch mal die linke Seite vorwärts und die rechte Seite zurück paddeln und umgekehrt.
Die ersten Stromschnellen im Wildwasser Fluss
Ich lege mich kräftig ins Paddel, und plötzlich verwandelt sich die Angst in eine freudige Aufregung. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie ausagieren kann. Ich weiß aber auch, dass die Guides von Trentino Wild perfekt ausgebildete Wasserretter sind. Sie bilden sogar selbst die Wasserretter der Feuerwehr im Val di Sole aus. Das beruhigt mich zusätzlich.
Schnell verliert der Fluss seinen Schrecken. Mir ist klar, dass ich wirklich keine Angst haben muss, auch als die ersten Stromschnellen kommen. Arnold kennt den Fluss wie seine Westentasche. Immer wenn es brenzlig werden könnte, ruft er „Al fondo“ – „nach innen“. Wir hocken uns runter und wieder hoch. So geht das unzählige Male, und die Arme mit den Paddeln bleiben dabei oben – ein ordentliches Workout. Zwischendurch streifen wir immer wieder Felsen. Sie stoßen das Raft in die andere Richtung ab, bis es auch dort wieder an einen Felsen kommt und erneut die Richtung wechselt. So gleiten und schleudern wir auf dem Fluss dahin, und werden jedes Mal ordentlich nass, wenn es eine Felsstufe hinab geht. Und das macht tatsächlich Spaß!
Family Rafting oder Fun Rafting?
Die drei Boote bleiben in Sichtweite zusammen. Wir übernehmen die Führung und steuern ans Ufer. Arnold zieht unser Raft auf die Felsen und hilft den anderen Booten ebenfalls ans Ufer. Hier endet – nach rund einer Stunde auf dem Wasser – das Family Rafting. Unsere gebuchte Tour wäre nun eigentlich vorbei. Das normale Rafting geht noch einmal etwa eine halbe Stunde weiter. Mein Kind will natürlich weiterfahren. Die beiden italienischen Kinder auch. Sie sind alle angehende Teenager und freuen sich über den abenteuerlichen Freizeitsport.
Alle, die möchten, können sich eine Extraportion Fun, Action und Adrenalin holen und sich im Wildwasser treiben lassen. Dort wo jemand in die Hauptströmung abtreiben könnte, stehen zwei Guides, um den Leuten rauszuhelfen. Fast alle machen mit. Natürlich lässt sich auch mein Kind den Extra-Adrenalinkick nicht entgehen. Nur eine Frau und ich winken dankend ab. So viel Vertrauen habe ich dann doch nicht zum schäumenden Fluss.
Auch der zweite Teil der Rafting Tour macht Spaß. Ich kann das aktive Abenteuer einfach genießen. Genau wie mein Sohn, der am Ende direkt fragt: Mama, können wir das morgen nochmal machen?
Nach der Rafting Tour in Italien
Das Schlimmste kommt zum Schluss: Denn dann muss das schwere Raftingboot nach oben getragen werden. Die übermenschliche Anstrengung vermittelt mir eine Ahnung, wo Arnolds Muskeln herkommen. Triefend steigen wir in den Bus ein und fahren nun deutlich weiter durchs Val di Sole zurück nach Dimaro. Wir haben wohl rund 15 Kilometer auf dem Fluss zurückgelegt, und das hat vom ersten Kilometer an Fun und Action gebracht.
Rund vier Stunden sind vergangen, seit ich mich mit zitternden Knien in den Neoprenanzug gezwängt habe. Voller Freude über das unvergessliche Erlebnis und ein bisschen stolz, dass ich meine Angst überwunden habe, schäle ich mich nun aus dem Neopren.
Am Abend merke ich, dass Rafting nicht nur ein Team- und Adrenalin-Sport ist, sondern eben wirklich ein Sport. Ich spüre Muskeln, von denen ich bisher nicht wusste, dass ich sie habe, vor allem an den Armen. Mein Kind schwärmt immer noch von dem tollen Erlebnis und will wissen, ob ich nicht auch am liebsten direkt nochmal raften würde. Meine Antwort: Wenn es sein muss. Weißes Wasser und ich werden keine Freunde mehr. Aber mit einem Raft dazwischen und Vollprofis an der Seite kann ich es aushalten.
FAQs zum Rafting
Was macht man beim Rafting?
Beim Rafting befährt man mit robusten Schlauchbooten in Teams von 7 bis 9 Personen Wildwasserflüsse. Rafting kam in den 80er Jahren als Leistungssport nach Europa. Bis heute werden Rafting Weltmeisterschaften ausgetragen. Inzwischen ermöglichen kommerzielle Anbieter aber auf vielen Flüssen auch Laien sichere Raftingtouren als aktiven Freizeitsport.
Wie anstrengend ist Rafting?
Anstrengend. Beim Rafting ist der ganze Körper gefordert: Schultern, Arme und Oberkörper zum Paddeln, die Beine zum Hoch- und Runterrutschen im Raft. Eine gewisse Grundfitness und etwas Kondition und Kraft sind daher wirklich gefordert.
Ist Rafting schwierig?
An der Rafting-Technik kann man sicher feilen. Doch das ist bei einer organisierten Rafting Tour nicht nötig. Bei Trentino Wild haben wir die Raftingtechnik in 5 Minuten Trockenübung gelernt.
Was ziehe ich beim Rafting an?
Die Raftinganbieter stellen Neoprenanzüge. Darunter sollte man Badehose, Badeanzug oder Bikini tragen. Schuhe werden nicht gestellt, aber gebraucht. Im Prinzip tun es Turnschuhe, nur sind die danach pitschnass. Daher empfehle ich einfache Wasserschuhe* oder wasserfeste Outdoorsandalen. Mit den Sandalen von Keen haben wir auch beim Wandern und Surfen gute Erfahrungen gemacht.*
Ab welchem Alter geht Rafting?
Dass euer Kind ein sicherer Schwimmer sein sollte und keine Angst vor Wasser haben darf, bevor es die erste Rafting Tour mitmacht, versteht sich von selbst. Zusätzlich ist im echten Wildwasser wirklich etwas Kraft gefordert. Ich würde Wildwasser Rafting für sportliche Kinder frühestens ab 8 Jahre empfehlen. Trentino Wild gibt ein Mindestalter von 6 Jahren an. An ruhigeren Flüssen legen Tourenanbieter das Mindestalter für Kinder mitunter auf fünf Jahre fest.
Was ist der Unterschied zwischen Familien Rafting und anderen Rafting Touren?
Familientouren sind entweder nicht ganz so wild oder kürzer als die anderen Raftingtouren professioneller Anbieter. Bei Trentino Wild war das Familien Rafting einfach etwas kürzer. An anderen Flüssen wählen Anbieter mitunter ruhigere Abschnitte für die Familientouren aus.
Wie lange dauert eine Rafting Tour?
Bei einem Rafting ist man in der Regel 1 bis 2 Stunden auf dem Wasser. Hinzu kommt die Zeit fürs Umkleiden, die Einweisung und den (Rück-)Transport. So ist Rafting in der Regel eine Halbtagsaktivität.
Wie viel kostet Rafting?
Die Preise variieren zwischen den verschiedenen Anbietern und den Rafting Regionen. Im Val di Sole am Noce gibt es drei bekannte Rafting-Organisationen an unterschiedlichen Standorten. Trentino Wild ist die größte und bietet drei verschiedene Rafting Touren mit Unterschieden bei Dauer und Schwierigkeit. Sie kosten zwischen 44 Euro und 69 Euro für Erwachsene und ab 39 Euro für Kinder bis 12 Jahre.
Kann jede:r raften?
Nein, zumindest nicht auf dem Noce. Eine gewisse Grund-Fitness ist nötig. Denn dadurch dass man sich durchgehend auf Weißwasser bewegt, ist man körperlich ununterbrochen gefordert. Auf ruhigeren Flüssen ist Rafting vielleicht auch weniger sportlichen Menschen möglich. Kinder unter 5 Jahren und Schwangere sind von den Touranbietern ohnehin meist ausgeschlossen.
Weitere coole Rafting Reviere in Europa
Wenn ihr euch für eine Wildwasser Rafting Tour Italien als Urlaubsland ausgesucht habt, ist der Noce die erste Adresse. Die Touren werden im gesamten Trentino und Südtirol beworben. Aus vielen Urlaubsregionen werden auch Transfers zum Rafting im Val di Sole angeboten.
In Österreich bietet vor allem Tirol Rafting Reviere in den Alpen. Besonders bekannt und beliebt ist die Imster Schlucht im Ötztal. Anbieter wie Area 47 nehmen auf diesem Abschnitt des Inn aber erst Jugendliche ab 14 Jahren mit.
Auch Norwegen ist bei Rafting Fans beliebt. Am bekanntesten ist der Wildwasser Fluss Sjoa.
In Deutschland gibt es vor allem im Allgäu Familien Rafting Touren. Es wird aber auch Rafting auf dem Rhein angeboten.
Wenn euch das alles zu weit ist, dann sucht doch einfach mal bei Google nach „Rafting in meiner Nähe“.
Ihr wollt wie ich mit einer Rafting Tour jemand eine Freude machen? Viele Anbieter verkaufen auch Rafting Gutscheine – auch Trentino Wild*.
„Das erste Mal …“ – weitere Teile aus der Serie
Das Leben mit Kindern hält viele erste Male bereit. In der Serie „Das erste Mal“ sind folgende weitere Teile erschienen
- Das erste Mal allein reisen mit Baby
- Das erste Mal Kletterwald mit Kind
- Das erste Mal Segeln mit Kind
- Das erste Mal Zelten mit Kind
- Das erste Mal Fernreise mit Kleinkind
Transparenzerklärung: Für diesen Blogbeitrag habe ich mit der Destination Val di Sole zusammengearbeitet. Die Rafting Tour mit Trentino Wild war für uns kostenlos. Auf den Inhalt dieses Beitrags wurde kein Einfluss genommen. Mit Stern und kursiv markierte Links kennzeichnen Werbung.