Last Updated on 11. September 2017 by Gela
Das fränkische Fichtelgebirge ist vor allem als Skigebiet und Wanderdestination bekannt. Doch an Regentagen sind Indoor-Alternativen gefragt. Wir haben ein ganz tolles Indoor-Angebot für Familien entdeckt: Ein Museumsbesuch mit Kindern im Porzellanikon in der Porzellanstadt Selb ist ein echtes Erlebnis.
Eine echte Dampfmaschine! Dick, schwarz und glänzend füllt sie fast den ganzen Raum aus. Mit immer schnellerem rrrd rrrd rrrd pfffffff nimmt sie Fahrt auf. Dann schließt der Mann im Blaumann die Ventile und bremst die Maschine ab. Was für ein Glück, dass wir vom Eingang des Porzellanikons direkt zu Haus 3 gegangen sind! Sonst hätten wir die Live-Vorführung an der Dampfmaschine verpasst. Stattdessen bekommen wir das volle Programm und einen Überblick über die weiteren Vorführungen.
Wir sind an einem besonderen Tag im Museum. Der Markt „Handgemacht“, ein Foodfestival und das regnerische Wetter locken unglaublich viele Menschen in die ehemalige deutsche Porzellanhauptstadt Selb.
Aber deshalb sind wir nicht hier. Wir wollen die Industrie-Ausstellung sehen. Die echte Porzellan-Produktion ist seit Jahren weitgehend ausgelagert in Billiglohnländer. Porzellanfabriken im Fichtelgebirge sind – bis auf wenige Ausnahmen – Geschichte. Doch diese Geschichte wollen wir kennenlernen.
Die Dampfmaschine vertreibt den letzten Rest Widerstand des unterwegsmitkind-Sohnes. Sein Interesse ist geweckt. Er zieht mich von einem in den nächsten Raum, steht hier fragend vor einer Maschine, staunt dort über ein riesiges Gerät. Ich komme kaum nach mit dem Vorlesen der Beschreibungen. Schon sind die neugierigen Augen und Hände des Sohnes wieder woanders. Fast alles darf berührt werden. Das sorgt für einen entspannten Museumsbesuch mit Kindern.
Keramik überall
Wir bleiben zunächst in dem Dampfmaschinen-Haus und gehen nach oben. Dort zeigt eine Sonderausstellung über Industriekeramik, wo das weiße Gold überall verwendet wird. Fürs Kind gibt es ein Keramik-Memory am Computer. Das verschafft mir etwas Zeit für die Ausstellung. Elektronische Platinen, künstliche Kniegelenke, Trafo-Sicherungen – unglaublich, was alles aus Keramik ist! Mir scheint, es gibt fast keinen Industriezweig, der ohne Keramik auskommt.
Doch eigentlich zieht es mich in die Porzellanproduktion. Die wird in einem anderen Gebäude ausgestellt, das wir über den gepflasterten Fabrikhof erreichen. Staubige Luft, ausgetretene Steinstufen, ein einfaches Metallgeländer: das Treppenhaus weckt kurz Erinnerungen an meine Ferienarbeit als Schülerin in der Porzellanfabrik. Im Porzellanikon wird jedoch nur noch zu Vorführungszwecken gearbeitet.
Wie aus Kaolin und Wasser das weiße Gold wird
Wir kommen zu spät, um den Produktionsschritt des Drehens live zu erleben. Doch die freundliche Vorführerin gibt uns eine Privatvorstellung. Sie füllt eine graue knete-ähnliche Masse in eine Form und hält einen Holzspatel hinein. Währenddessen dreht sie zusammen mit dem unterwegsmitkind-Sohn die Scheibe, auf der die Form steht. Dadurch wird die Knete gleichmäßig verteilt. Heraus kommt ein Becher. Zur Enttäuschung des Sohnes muss der noch feuchte Becher zum Trocknen in der Form bleiben und wird erst einmal auf ein Holzbrett in einem fahrbaren Regal gestellt. Die Vorführerin schenkt dem Kind dafür einen bereits getrockneten Becher aus einer anderen Form. Rau fühlt sich das immer noch graue Porzellan an. An der Innenwand unten ist es unregelmäßig.
Gemeinsam mit der Vorführerin gehen wir eine Etage höher. Jetzt lernen wir, wie Porzellan gegossen wird. Für die Zuckerdose aus der klassischen Rosenthal-Serie Maria sind Negative in zwei halbrunde Gipsformen eingearbeitet. Die Museumsmitarbeiterin fügt sie mit Klettband zusammen. Dann gießt sie von oben zähflüssige Porzellanmasse hinein. Dabei dreht sie die Form, damit sich die Masse gleichmäßig verteilt. Am Ende ist die Form bis oben hin voll. Doch die Zuckerdose muss doch innen hohl werden?! Das kommt fast von selbst: Auch diese Masse trocknet. Geübte Gießer wissen ganz genau, wie lange sie braucht, bis eine ausreichend aber nicht zu dicke Schicht an der Wand der Form entlang getrocknet ist. Der Rest wird dann wieder ausgegossen. Wenn die verbliebene Masse komplett getrocknet ist, öffnen sie die Form.
Beim Herausnehmen kann viel schief gehen. Das noch ungebrannte Porzellan kann reißen oder sich verbiegen. Dann ist es Ausschuss und kommt weg, um erneut zu Masse verarbeitet zu werden. Klappt alles, schließt sich das Putzen an: Die Nähte müssen geglättet werden. Das war Frauenarbeit, erklärt die Vorführerin. Warum? Weil es eine filigrane Tätigkeit ist, rät ein Besucher. Weil es eine schlecht bezahlte Anlern-Tätigkeit ist, antwortet die Museumsmitarbeiterin.
Kinder dürfen selbst Porzellan gestalten
Der unterwegsmitkind-Sohn wühlt noch kurz in der Kiste mit dem Ausschuss, ob er etwas Brauchbares findet. Er zieht einen Untersetzer für seine Tasse heraus. Dann erkunden wir die Ausstellung zur Porzellanherstellung auf eigene Faust. Es geht immer im Kreis um den gigantischen begehbaren runden Ofen in der Mitte herum. Wir sind beide beeindruckt von seiner Größe. Im Ofen ist auf der einen Etage eine Klanginstallation, auf der nächsten eine Filmvorführung. Auch die Räume drumherum sind abwechslungsreich und interessant gestaltet. Wir lernen das unterschiedliche Handwerkszeug und Porzellan in seinen verschiedenen Verarbeitungsstadien kennen. Für die Design-Ausstellung mit fertigen Gebrauchs-Porzellan-Kunstwerken hat der Sohn jedoch kein Auge. Und ich werde schnell nervös, wenn er den Kahla-Tellern zu nahe kommt. Deshalb kürzen wir hier ab und gehen zum Ausgang.
Drei Stunden sind vergangen, und wir haben nur einen Bruchteil der Ausstellungen gesehen. Insgesamt fünf Häuser umfasst das Museum. Wir waren nur in zweien. Außerdem gibt es noch ein zweites Porzellanikon. Das liegt aber nicht in Selb, sondern in Hohenberg. Dort kann man Porzellanfiguren und ähnliches sehen. Doch das sparen wir uns. Stattdessen macht sich der Sohn zum Abschluss noch einmal selbst an die Produktion und übt sich als Porzellanmaler. Mit einer speziellen Art von Filzstiften bemalt er einen glasierten Teller. Den darf er auch mit nach Hause nehmen. Damit ist ein Gedeck komplett!
Infos zum Porzellanikon Selb
Adresse: Porzellanikon – Staatliches Museum für Porzellan, Werner-Schürer-Platz 1, 95100 Selb
Öffnungszeiten: Dienstags – Sonntags und an Feiertagen 10-17 Uhr (Montags geschlossen)
Eintrittspreise: Kombikarte für beide Museumsteile in Selb und Hohenberg 6,50 €, Selb allein 5,00 €, Hohenberg allein 3,00 €, Kinder bis 18 Jahre frei
Infos für Familien: An jedem dritten Sonntag im Monat ist von 14:30 bis 17:00 Uhr Familiennachmittag mit Ausstellungsführung und Kreativprogramm.
Weitere Infos: http://www.porzellanikon.org
Habt ihr auch schon tolle Museen entdeckt, die mit Kindern richtig Spaß machen? Dann verratet sie uns und macht mit bei der Blogparade Mit Kindern ins Museum!
Noch ein unterhaltsames Museum im Fichtelgebirge findet ihr in meinen Reisetipps für Familien im Fichtelgebirge.