Interview: Wwoofing mit Kind in Südamerika als Singlemom

freiwilligenarbeit mit kind allein in Südamerika

Last Updated on 9. Februar 2022 by Gela

Drei Monate lang ist Ruth* mit ihrer sechsjährigen Tochter Vivian* durch Südamerika gereist. Dabei hat sie zwischendurch auch Freiwilligenarbeit gegen Kost und Logis übernommen. Über ihre Reise durch Argentinien, Uruguay und Brasilien und das Wwoofing mit Kind allein erzählt sie im Interview mit Unterwegs mit Kind.

Wwoofing mit Kind als Alleinerziehende

Wwoofing ist eine spezielle Form der Freiwilligenarbeit auf Biobauernhöfen oder bei nachhaltigen Projekten. Sie funktioniert nach dem Motto Bett (und Essen) gegen Hand. Meist sind Wwoofer junge Weltreisende. Doch immer öfter übernehmen auch Familien Freiwilligenarbeit. Ruth hat Work and Travel als alleinerziehende Mama gemacht. Hier schildert sie ihre Erfahrungen und gibt Tipps, was beim Wwoofing mit Kind allein hilfreich ist.

Ruth, erzähl doch bitte mal: Wo führte euch deine Langzeitreise allein mit Kind hin?

Die Tour ist im Februar 2016 in Cordoba (Argentinien) gestartet. Dort waren wir fünf Wochen bei einer Freundin. Wir haben schöne Ausflüge in die Umgebung gemacht. Es gibt dort sehr schöne Landschaften mit Bergen und vielen Flüssen zum Baden. Das hat Vivian sehr gemocht. Mit dem Bus sind wir nach Buenos Aires, von dort per Schiff über den Rio Plata nach Uruguay und weiter mit dem Bus nach Montevideo gefahren. Dort sind wir in einem Schwulen-Hostel gelandet, alles rosa und lustig. Zu Ostern gab es dann dort ein Überraschungsei für Vivian auf dem Frühstückstisch.

Schade war allerdings, dass es dauernd geregnet hat. Wir haben das Beste daraus gemacht und an drei Tagen fünf Museen besucht. Spannend an Montevideo ist, dass man hier von der Kolonialzeit über das 19. Jahrhundert bis zu den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts so viele Epochen und Zeiten spürt und die Mischung aus afrikanischer, indigener und italienischer Kultur. Den Karneval, der sehr besonders ist, haben wir leider gerade verpasst, den würde ich gerne mal erleben.

Von Montevideo aus sind wir mit dem Bus an der Küste entlang weitergefahren bis nach Gamboa, einem kleinen Ort in der Nähe von Florianopolis im Süden Brasiliens. Dort in der Nähe war der Wwoofing-Aufenthalt. Nach den fünf Wochen Work and Travel haben wir zum Abschluss noch zwei Wochen Urlaub gemacht. Den haben wir auf der Ilha do Miel verbracht – leider wieder mit viel Wetterpech, wie schon in Uruguay.

Wwoofing mit Kind allein am Strand in Brasilien

Urlaub: Entspannte Strandtage auf der Ilha do Miel

Wwoofing mit Kind allein – Planung und Vorbereitung

Wie bist du an die Reiseplanung herangegangen?

Ich hatte schon länger die Idee, vor der Einschulung noch einmal für längere Zeit mit Vivian zu verreisen. Argentinien habe ich als Ausgangspunkt gewählt, damit nicht alle Stationen unserer Langzeitreise unbekannte Größen sind. Dort kannte ich jemand, das erschien mir machbar.

Über eine Internetrecherche habe ich Wwoofing entdeckt. Mir gefiel die Idee, in der Natur zu sein und an nachhaltigen Projekten mitzuwirken. Nach Brasilien wollte ich schon immer. Also habe ich dort nach einer Wwoofing-Stelle gesucht.

Wie hast du deinen Platz für das Wwoofing mit Kind allein gefunden?

Über das entsprechende, gleichnamige Portal für weltweite Freiwilligendienste auf organischen Farmen. Mit der Suche habe ich etwa ein halbes Jahr vor dem geplanten Reisetermin begonnen. Regional habe ich die Suche erst einmal nicht eingegrenzt, aber die Auswahl wurde stark eingeschränkt dadurch, dass nicht überall Kinder erwünscht waren.

Wie funktioniert denn das Wwoofing-Portal?

Du kannst dir angucken, welche Farmen Mitarbeit gegen Kost und Logis bieten, ohne dich anzumelden. Kontakt aufnehmen kannst du aber erst, wenn du die Mitgliedsgebühr bezahlt hast – in meinem Fall 30€. Ziemlich viele Angaben werden schon bei der Anmeldung im Portal erhoben. Das hat den Vorteil, dass man die Anschreiben kurz halten kann. Da habe ich oft nur noch Vivians Alter angegeben.

Worauf hast du bei der Auswahl der Wwoofing-Partner geachtet?

Mir war wichtig, dass in der Familie, bei der ich arbeite, möglichst Kinder sind. Außerdem wollte ich nicht an einen Ort, der so extrem abgelegen ist, dass man nicht mehr wegkommt, falls es vor Ort nicht klappt, oder Vivian dringend einen Arzt braucht oder etwas anderes passiert.

Wieviele Ökofarmen hast du angeschrieben, bis es geklappt hat?

Ich habe ungefähr zehn Farmen angeschrieben. Einige haben sich nicht zurück gemeldet. Bei anderen passte der Zeitraum nicht. Meine späteren Gastgeber haben sich recht schnell und freundlich zurückgemeldet und waren sehr sympathisch. Den Zeitraum hatten wir grob festgelegt. Meine Gastgeber haben angegeben, wann ich frühestens kommen kann, und ich habe von Argentinien aus mitgeteilt, wann wir genau kommen.

Tipp: Was man beim Wwoofing oder Volunteering in Entwicklungsländern beachten sollte, erfahrt ihr im Reiseblog Nordkap bis Südkap.

Wwoofing mit Kind allein in Südamerika

Ausblick: Die Landschaft rund um die Wwoofing-Farm durch das blankgeputzte Fenster

Wwoofing mit Kind allein: Die Realität

Und wie war es schließlich vor Ort?

Als ich angekommen bin, war es erst einmal etwas komisch. Meine Gastgeberin hat so sehr geschwärmt, wie toll die vorherigen Wwoofer waren, dass mich das ziemlich verunsichert hat. Ich habe mich gefragt, ob ich als Mutter allein mit Kind den Ansprüchen gerecht werden und was ich überhaupt leisten kann. Am Ende hat meine Gastgeberin aber gesagt, dass unser Besuch schon allein deshalb gut war, weil meine Tochter für deren zwei Jahre jüngere Tochter da war.

Welche Arbeiten hast du gemacht?

Ich hatte unterschiedliche Tätigkeiten. Unter anderem habe ich im Garten mitgeholfen. Aber wir haben zum Beispiel auch am Haus gearbeitet, eine Flaschenwand gebaut und ein Mosaik aus alten Fliesen an einer feuchten Innenwand. Das war die schönste Aufgabe. Auch mit Fensterputzen im Café der Farm war ich mal dran. Kochen war immer Gemeinschaftssache. Da haben alle zusammen angepackt. Ich war fürs Brotbacken zuständig. Dabei hat Vivian auch manchmal geholfen.

Was waren die größten Herausforderungen beim Wwoofing mit Kind allein?

Beim Wwoofing musst du damit klar kommen, dass du wie in einer Familiensituation lebst, aber ein Arbeitsverhältnis mit deinen Gastgebern hast. Wir waren in einem sehr offenen Haus. Auch unsere Gastgeber hatten kaum Privatsphäre. Aber sie hatten ein tolles Zimmer für uns. Ich weiß nicht, ob das überall ähnlich ist. Ein weiteres Wwoofing weiter im Norden von Brasilien hat spontan nicht geklappt. Das war in unserer Situation aber auch ok. Ich denke, es hätte Vivian überfordert, wenn sie sich nochmal auf eine völlig andere Umgebung hätte einstellen müssen.

Wie hast du Arbeit und Kind unter einen Hut gebracht?

Die Arbeitszeit war auf fünf Tage pro Woche mit je sechs Stunden festgelegt. Vivian konnte eigentlich immer dabei sein und in meiner Nähe spielen. Sie hat viel mit der Tochter unserer Gastgeber gespielt. An einem Nachmittag konnte sie mit in die Schule der Tochter gehen. Aber sie war auch sehr selbstständig unterwegs. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie meine Aufmerksamkeit vermisst hat. Vielleicht lag das auch an den Arbeitszeiten. Ich habe meistens morgens drei Stunden gearbeitet, dann kam das gemeinsame Kochen und die Siesta, und der Nachmittag ging auch schnell vorbei.

Blieb denn auch Zeit, um die Gegend zu erkunden?

Ja, die Umgebung war traumhaft schön. Vivian erinnert sich noch gut an eine Dünenlandschaft mit einem Wasserloch. Die war wie eine andere Welt. An den beiden freien Tagen haben wir oft gemeinsame Touren mit unseren Gastgebern und den anderen Wwoofern unternommen. Einmal sind wir in den Dschungel gefahren, in ein Stück Regenwald, das einem Freund unserer Gastgeber gehörte. Nach einer aufregenden Wanderung über Stromschnellen gab es dort mitten im Urwald ein Badeparadies mit Wasserfall. Das war nicht nur für Vivian ein richtiges Abenteuer, sondern definitiv unser Highlight!

Work and Travel mit Kind in Brasilien

Abenteuer: Dschungelwanderung durch den Fluss zum Wasserfall

Wwoofing mit Kind allein – Tipps und Erfahrungen

Welche Tipps würdest du anderen Mamas geben, die mit Kind wwoofen wollen?

Ich würde beim nächsten Wwoofing vorher genauer nach den Aufgaben fragen. Außerdem macht es schon Sinn, sich vorher Gedanken zu machen, was das Kind macht, während du arbeitest. So hatte ich auch gefragt, ob Vivian vielleicht vor Ort mit in die Schule gehen könnte. Doch das ging nicht regelmäßig. Es war dann schließlich dennoch entspannt, weil vor Ort ein weiteres Kind war.

Würdest du nochmal Freiwilligenarbeit machen?

Ich habe schon überlegt, ob ich in den Sommerferien in Europa mal wwoofen soll. Aber es ist mein Urlaub, und dann arbeite ich da?!? Andererseits könnte ich auch nicht drei Wochen am Strand liegen. Außerdem finde ich es schöner, so zu reisen, dass ich eine Verbindung zu meinem Reiseziel habe. Wenn ich niemand besuchen kann, den ich kenne, dann ist Wwoofing für mich eine gute Möglichkeit mit dem Alltag vor Ort in Kontakt zu kommen. Es ist zwar eine kleine Einschränkung, nicht die ganze Zeit zur freien Verfügung zu haben, aber die Erholung bleibt beim Wwoofing auch nicht auf der Strecke. Und nicht zuletzt schont es den Geldbeutel.

Vielen lieben Dank, dass du diese spannenden Erfahrungen mit uns teilst!

Wwoofing mit Kind allein in Brasilien

Highlight: Nach der Urwaldwanderung ein Bad am Wasserfall

*) Namen geändert

Fotorechte: privat

Ihr wollt mehr über Reisen nach Südamerika mit Kind wissen? Im Sommer 2018 habe ich eine Mama interviewt, die Backpacken in Südamerika mit Kind (klick) war.

Mehr über Ecuador mit Kind erfahrt ihr auch hier im Blog in der Rubrik Ecuador (klick).

Habt ihr Fragen oder möchtet ihr auch tolle Reiseerlebnisse als (Reise-)Single mit Kind mit uns teilen? Dann hinterlasst einen Kommentar!

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7 Kommentare

  1. Hallo Gela,
    ich mag es, wenn man in anderen Ländern die Möglichkeit hat, in das normale Leben der Menschen hineinzuschnuppern. Das ist eine ganz andere tiefere Art des Verständnisses über ein Land und die Kultur und das Leben dort. Von Wwoofing habe ich noch nie gehört, das klingt interessant!
    Liebe Grüße
    Barbara

    • Liebe Barbara, diesen anderen Zugang zu einem Land stelle ich mir auch sehr spannend vor. Schon deshalb würde ich das gern mal ausprobieren.
      Liebe Grüße
      Angela

  2. Ein sehr schönes Interview. Die Eindrücke und Erlebnisse der Zeit kommen gut rüber.

  3. Ich stell mir das nicht einfach vor. Vielen Dank für den spannenden Einblick.
    Selber habe ich keine Kinder, aber es ist trotz allem interessant darüber zu lesen.

    Und der Begriff Wwoofing war mir vorher nicht bekannt, sogar noch was gelernt 😀

    <3

    • Ich war positiv überrascht, wie gut das doch klingt – und spannend finde ich es auch, sehr sogar!
      Liebe Grüße
      Angela

  4. Das stimmt! Ich denke für die Kids ist es auch ganz spannend so eine Art Alltag in einem fremden Land zu erleben.
    Liebe Grüße
    Gela

  5. Das klingt sehr spannend! Ich habe darüber auch schon mehrfach nachgedacht, kannte aber die Seite dazu auch noch nicht. Vielleicht wäre das jetzt mal ein Ansporn 😉
    Ich finde das jedenfalls recht cool und das sind sicherlich tolle Erfahrungen für beide Seiten.

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