Last Updated on 18. Januar 2022 by Gela
Mit Kindern Segeln geht nicht? Geht doch! Ein Jahr lang ist eine Berliner Familie mit ihren beiden Jungs (7 und 9 Jahre alt) durch Europa gesegelt. Von Regensburg ging es auf der Donau ins Schwarze Meer, und von dort durch den Bosporus und das Mittelmeer bis nach Frankreich. Im unterwegsmitkind-Interview erzählt der Papa vom Leben mit Kindern an Bord eines Segelbootes.
– Familienreise-Interview –
Wer ist gereist?
Papa (50), Mama (48) und zwei Söhne (7 und 9 Jahre)
Wann war die Reise?
Von Juni 2012 bis Juni 2013 mit Winterpause im (günstigen) Zweizimmer-Apartment am Strand auf Sizilien von November bis April.
Wie ist die Idee entstanden?
Ich habe schon immer von einer Weltreise geträumt, aber da hätte meine Frau nicht mitgemacht. Mit der Idee, ein Jahr lang auf dem Boot zu reisen, konnte sie sich aber anfreunden.
Wie sah denn euer Boot aus?
Ich hatte eine Bavaria 320 Sportline (Baujahr 1992) gekauft. Die ist über zehn Meter lang und hat drei Kajüten. Im Salon und in der anderen Kajüte hat jeweils ein Erwachsener mit einem Kind geschlafen. Die Achterkajüte haben wir als Lager genutzt, zum Beispiel für die Fahrräder, aber auch für Vorräte. Das war für die lange Fahrt wichtig. Aus Sicherheitsgründen haben wir ein Boot genommen, in dem die Achterkajüte von innen erreichbar ist, damit die Kids nicht über das Cockpit hinein krabbeln müssen und wir mitbekommen, wenn jemand aufsteht.
Welche Route habt ihr gewählt?
Wir sind in Regenburg gestartet und mit gelegtem Mast die Donau bis nach Russe in Bulgarien gefahren. Das Schwarze Meer haben wir bei Constanza (Rumänien) erreicht. Überall in den osteuropäischen Ländern wurden wir extrem freundlich behandelt. Mit Kindern wirst du in jedem Hafen der Welt viel freundlicher empfangen.
Die Durchquerung des Bosporus bei sehr viel Verkehr war etwas anstrengend. Danach war es dafür auf dem Marmarameer sehr ruhig. Entlang der türkischen Küste sind wir bis nach Cesme gesegelt und von dort per Inselhopping über die griechischen Inseln zum Kanal von Korinth. Die Durchquerung dieses uralten Kanals war ein echtes Highlight.
Die westlichen griechischen Inseln fanden wir viel grüner als die Inseln in der Ägäis. In einer langen Nachtfahrt sind wir dann von Erikousa nach Italien weitergesegelt. Nach der Winterpause auf Sizilien ging es weiter Richtung Rom, Elba, Korsika, Marseille und an die Cote d’Azur. Durch die Rhone sind wir aufgrund der starken Strömung nicht weitergekommen und haben uns entschlossen, das Boot ein Stück transportieren zu lassen. Ab Metz ging es auf der Mosel und dem Rhein stromabwärts Richtung Heimat bis nach Berlin.
Apropos Sicherheit: Wie habt ihr die Kinder gesichert?
Unsere Jungs konnten bereits schwimmen, als wir gestartet sind. Kinder, die noch nicht sicher schwimmen, müssen aber immer eine Schwimmweste tragen. Bei grobem Wetter haben wir die Jungs angeleint, bei schwerem Wetter mit hohen Wellen mussten sie im Cockpit bleiben.
Hat alles immer gut geklappt oder gab es auch brenzlige Situationen?
Ich bin der einzige Segler in unserer Familie. Als Skipper habe ich die anderen gut vorbereitet für Notfälle. Wir haben geübt, wie sie die Schoten lösen, den Motor anwerfen und jemand an Bord hieven, für den Fall dass ich über Bord gehen sollte. Und das ist tatsächlich einmal passiert. Da konnten meine Frau und die Kinder zeigen, was sie können. Brenzlig war die Situation zum Glück nicht, weil wir da sehr langsam unterwegs waren.
Auch unser Ältester ist einmal über Bord gegangen, als er auf der Badeplattform ausgerutscht ist – zum Glück aber auch bei geringer Geschwindigkeit.
Und dann wollte unser Kleiner partout nicht mehr an Bord gehen, als wir Italien erreicht hatten. Er war oft seekrank und wir hatten ihm versprochen, dass wir in Italien Pause machen. Wir wollten aber noch weiter nach Sizilien. Schließlich ist meine Frau aus dem Osten Süditaliens mit dem Zug mit ihm nach Sizilien gefahren und ich bin mit dem Älteren und einem Freund weiter gesegelt durch die Straße von Messina. Dort hat unser Ältester einen Tunfisch geangelt.
Ist es für die Kinder nicht auch langweilig an Bord?
Das kommt darauf an. Man muss einfach für Beschäftigung an Bord sorgen und man sollte die Etappen nicht zu lang planen. Vier Stunden pro Tag reichen. Wenn die Kinder angeln, haben sie eine gute Beschäftigung. Auch Drachensteigenlassen vom Schiff aus hat ihnen Spaß gemacht. Sehr beliebt war auch das Hochziehen und Runterlassen am Baum des Mastes über dem Wasser. Außerdem hatten wir Lego Bausteine, Hörbücher und einen Laptop mit Filmen dabei. Dann gab es abends oft Bord-Kino. Den Tisch im Salon konnten wir herausnehmen und so ein riesiges Spielzimmer schaffen. Das ist gerade mit kleineren Kindern genial, weil sie dann viel Platz zum Spielen auf dem Boden haben. Gegessen haben wir praktisch immer im Cockpit. Das ist am Mittelmeer überhaupt kein Problem, vor allem wenn es überdacht ist.
Mit Kindern segeln – so klappt es
Welche Tipps gibst du anderen Familien mit, die mit Kindern segeln möchten?
Mit Kindern Segeln ist toll! Sie haben ihr Zuhause dabei und man ist unglaublich flexibel. Du kannst in jeder Bucht vor Anker gehen, vorausgesetzt der Wind stimmt. Wenn er von der Landseite kommt, liegt das Boot ruhiger. Die Etappen sollten nicht zu lang geplant werden. Wenn wirklich mal Strecke gemacht werden mussten, lieber nachts segeln, wenn die Kinder schlafen. Davor muss man keine Angst haben. Der Plotter zeigt alles, und die Lichter an der Küste sind normalerweise auch gut sichtbar. Außerdem sollte man nicht auf Teufel komm raus gegen den Wind ankreuzen, sondern dann lieber einen Tag warten – oder bis zum Abend, wenn der Wind nachlässt. Das Wetter muss man ohnehin immer im Blick haben.
Beim Boot sollte man darauf achten, dass es eine vernünftige Badeplattform hat, auf der die Kids sich duschen und abtrocknen können. Wichtig ist auch ein Dinghy, also ein kleines Beiboot. Wenn man den Salontisch herausnehmen kann, ist das ein echter Platzvorteil.
Wer nicht auf die Schulferien angewiesen ist, sollte unbedingt in der Vor- oder Nachsaison segeln. Dann sind die Hafengebühren deutlich billiger. Ansonsten muss ein Segelurlaub nicht teuer sein, wenn man sich selbst verpflegt, denn außer Hafengebühren fallen keine Kosten an.
Plant ihr schon die nächste Segelreise?
Wir haben uns jetzt einen kleineren Jollenkreuzer angeschafft, mit dem wir auf den Flüssen und Seen um Berlin herum oft unterwegs sind. Konkrete Pläne für eine größere Segelreise gibt es derzeit nicht. Aber es ist ein Traum von mir, einmal den Atlantik zu überqueren. Unser Großer hat jetzt auch schon angekündigt, dass er dabei wäre.
Na dann viel Spaß und Schiff ahoi!
Ihr könnt nicht Segeln wollt aber auch gern mal Urlaub auf dem Wasser machen? Monika und Petar vom Reiseblog TravelWorldOnline waren als blutige Anfänger mit einem Hausboot in Frankreich unterwegs. Wäre das auch was für euch?
Ihr wollt gern mehr wissen von anderen Familien auf Reisen? In unseren Familienreise-Interviews berichten in unregelmäßigen Abständen andere Familien von ihren Reisen. Ihr habt auch eine tolle Reise gemacht und wollt uns berichten? Dann schreibt mir oder hinterlasst einen Kommentar!
Fotos zu diesem Beitrag: Privat
Echt toll! Wir waren dieses Jahr eine Woche lang Segeln in Griechenland, das war auch schon echt schön! Aber so eine Reise wäre auch noch ein Traum von mir. Obwohl ich glaube ich ein wenig Angst vor dem Lagerkoller hätte…
Wow… das klingt super toll und war sicher für alle in der Familie eine Wahnsinns-Erfahrung und etwas, wo von die Kinder noch sehr lange erzählen werden.
Liebe Grüße
Melanie
Liebe Melanie,
solche Erfahrungen bleiben den Kids garantiert für ihr Leben in Erinnerung. Mein Sohn kann sich auch noch sehr gut an unsere lange Reise erinnern, bei der er gerade mal 5 Jahre alt wurde.
Liebe Grüße
Angela
Ich bewundere den Mut, vorallem mit schulpflichtigen Kindern, so einen Trip zu unternehmen. Klar lernen sie auf so einer Reise eine Menge toller und unvergesslicher Dinge. Die Erfahrung nimmt ihnen keiner.
Heute ohne Kind könnte ich mir das auch vorstellen.
Lieben Gruß, Susanne
Liebe Susanne,
ich glaube, dass die Kinder auch ganz viel davon haben. So eine lange, intensive Zeit mit den Eltern und der Familie ist schon etwas besonderes.
Liebe Grüße
Angela
Eine solche Reise würde uns auch gefallen, wenn auch nicht unbedingt auf einem Segelboot. Wir waren schon ein paarmal mit dem Hausboot unterwegs. Diese Reisen gehören bisher mit zu unseren schönsten Reiseerlebnissen.
Liebe Monika,
Hausboot-Ferien machen bestimmt auch riesig Spaß! Darauf hätte ich auch mal Lust.
Liebe Grüße
Angela
Da merke ich immer, was ich verpasst habe. Beneidenswert, wenn man so was machen kann.
Boah, wie spannend. Ich bin mir sicher, dass die Kinder so mehr gelernt haben für’s Leben als eine Schule ihnen hätte beibringen können.
Es grüßt
DieReiseEule
Wirklich tolles Interview! Was haben sie denn gemacht wenn einer so oft seekrank war? Hier wären 3 von 5 seekrank und da reicht schon eine kleine Fährfahrt hier in Norwegen, so mit fällt Segeln eher aus für uns.
Lg aus Norwegen
Ina