Kanada mit Kindern: 4 Monate zu fünft durch die Wildnis

Vater mit drei Kindern in Kanada vor Bergen mit Gletschern und einem türkisblauen See am Rande eines Nadelwaldes.Foto: Stefan Walter

Elternzeit ist Reisezeit. Nicht wenige Familien nutzen die Gelegenheit für eine Langzeitreise mit Kindern. Stefan Walter und seine Frau Julia zog es mit ihren 3 Kindern nach Kanada. Über ihre viermonatige Reise mit Kindern hat Stefan ein Buch veröffentlicht. Im Interview mit unterwegsmitkind.com gibt er spannende Einblicke in die Reisevorbereitungen, das Reisebudget, die Herausforderungen und die schönsten Erlebnisse auf ihrem Camping-Roadtrip mit Kindern in Kanada.

Kanada-Roadtrip mit Zelt, Auto und drei Kindern

Stefan, du hast vier Monate Elternzeit genutzt, um mit deiner Familie mit einem alten Auto und einem Zelt durch Kanada zu touren. Erzähl bitte erstmal kurz, wer da alles unterwegs war.

Meine Frau Julia und ich und unsere 3 Kinder: Hanna, 7 Jahre alt, in der zweiten Klasse, Eva, 5 Jahre, und Jonas, 3 Jahre. Beide waren noch im Kindergarten.

Und warum führte eure Elternzeitreise nach Kanada?

Vor allem wollten wir ein sicheres und englischsprachiges Reiseland, ein Land ohne exotische Krankheiten und ein Land, wo wir gut mit einem Auto überall hinkommen können. Dazu hat uns die wunderbare Natur von Kanada gelockt: Gletscher, Wälder, Seen, das Meer, eine fantastische Tierwelt mit Bären, Orcas, Seeadlern, die Weite und natürlich auch die freundlichen Menschen.

So eine Langzeitreise erfordert einige Vorbereitungen. Was waren die wichtigsten und wann habt ihr damit begonnen?

Der erste Schritt war die Schulbefreiung für Hanna. Den Antrag haben wir ungefähr ein halbes Jahr vor Abreise gestellt. Das war bei uns ganz unkompliziert. Wir haben mit der Schule gesprochen, dann einen Antrag mit guten Argumenten gestellt und die Schule und die zuständige Behörde haben es genehmigt. Meinen Elternzeitantrag habe ich ungefähr zeitgleich gestellt. Der Arbeitsvertrag von Julia lief aus und danach haben wir Flüge gebucht. In den Monaten bis zur Abreise haben wir uns dann um all die kleinen Dinge gekümmert: wie man ein Auto kauft und zulässt, wie man mit den Einreisebestimmungen in Kanada umgehen muss – damals gab es noch einige Corona Auflagen –, welcher Teil des riesigen Landes uns ganz gut gefällt und wie wir reisen möchten. Auch sind wir der Organisation Workaway beigetreten. Darüber kann man als Freiwilliger auf kanadischen Farmen und in Familien leben und arbeiten.

Familie Walter mit drei Kindern in Kanada auf Felsen an einem türkisblauen See vor Bergen mit Gletscher

Familie Walter am Lake Louise in British Columbia, Kanada (Foto: Stefan Walter)

„Unser wichtigstes Gepäckstück war die Kaffeepresse“

Als Backpacker bist du gewohnt mit wenig Gepäck zu reisen. Was waren denn die wichtigsten Dinge in eurem Reisegepäck für den XXL-Roadtrip durch Kanada mit Kindern?

Unsere Kaffeepresse. Wir haben wirklich viel Gepäck mitgenommen, weil wir die meiste Zeit gezeltet haben. So kam mit Isomatten, Schlafsäcken und Kochausrüstung einiges zusammen. Aber an persönlichen Gegenständen hatten wir umso weniger. Für die Kinder war es wichtig, Mal-und Bastelsachen dabei zu haben. Und wir hatten einige wenige Kinderbücher, die wir 100 mal in der Zeit gelesen haben.

Hattet ihr eine feste Reiseroute geplant und habt ihr die dann auch eingehalten?

Wir sind spontan und lieben es, uns in die Reise fallen zu lassen. Deshalb buchen wir auch bis auf die ersten 3 Tage fast nie Unterkünfte vor und hatten keine feste Reiseroute, an die wir uns geklammert haben. Aber wir hatten natürlich schon eine ungefähre Idee, wo wir lang wollten.

Welche Orte in Kanada habt ihr denn auf eurem Roadtrip mit Kindern besucht?

Das war British Columbia mit der wunderbaren Stadt Vancouver. Wir sind in die Rocky Mountains über den Icefields Parkway gefahren. Das ist eine 230 km lange Prachtstraße, wo die wirklich spektakulären Gletscher und Bergseen sind. Wir haben abgelegene Farmen im Hinterland besucht und das kanadische Leben abseits der Touristenorte erlebt. Und wir haben die Fähre nach Vancouver Island genommen, dort wo die Wälder am ursprünglichsten und die Küste am rausten und spektakulärsten ist.

Mutter. Vater und drei turnende Kinder vor einer Landschaft mit türkisblauem See, Nadelbäumen und vergletscherten Bergen im kanadischen Nationalpark Banff

Stefan und Julia Walter am Lake Moraine in Kanada mit Kindern (Foto: Stefan Walter)

Statt Mietwagen ein alter Minivan vom Gebrauchtwagenhändler

Ihr habt euch für die Kanadareise ein altes Auto gekauft. Kann man das als Tourist so einfach machen?

Jein. Im Bundesstaat British Columbia ist das ganz einfach möglich. Als Tourist kauft man sich ein Auto und lässt es einfach beim Händler oder in einer Zulassungsbehörde zu. Das geht wirklich ganz schnell. Wenn man vorher ein bisschen organisiert, könnte man das sogar an einem Tag, also am Anreisetag organisieren. Wir haben insgesamt 3 Tage gebraucht. Wir haben bei einem Gebrauchtwagenhändler einen alten Minivan gekauft, bei dem man die hinteren Sitzreihen im Boden versenken kann. So konnte Julia mit Jonas nachts im Auto schlafen. Es war immer noch genug Platz für unser Gepäck, und ich habe mit den Mädels im Zelt geschlafen. Das alte Schätzchen war schon 230.000 km gelaufen und hat uns zuverlässig überall hingebracht.

Und was habt ihr am Ende eures Roadtrips durch Kanada mit Kindern mit dem Auto gemacht?

Am Ende haben wir es wieder verkauft. Das hat ein bisschen gedauert und hat mich einige Nerven gekostet. Als sich dann endlich ein Käufer gefunden hatte, war es aber auch unkompliziert. Insgesamt war das viel günstiger als ein Auto zu mieten. Allerdings gibt es Bürokratie nicht nur in Deutschland. In allen anderen Bundesstaaten Kanadas ist es viel schwieriger oder unmöglich, ein Auto zuzulassen, wenn man keinen festen Wohnsitz hat.

Übernachtet habt ihr im Zelt – auf Campingplätzen oder auch in der freien Natur?

Wir haben immer auf Campingplätzen übernachtet oder auf den Farmen, wo wir gelebt und gearbeitet haben. Früher, vor den Kindern und Julia habe ich oft wild gezeltet. Mit den Kindern fühle ich mich da nicht mehr sicher genug.

Drei Kinder mit Malsachen an einem Holztisch vor einem Zelt in einem Nadelwald. Hinten hängt Wäsche zum Trocknen.

Die Kinder bei den Hausaufgaben auf dem Campingplatz in Vancouver Island  (Foto: Stefan Walter)

„Bären werden selten gefährlich, wenn man die Regeln beachtet“

Das kann ich gut verstehen. Hattet ihr keine Angst vor Bären?

Wir haben zweimal auf unserer Kanadareise Bären gesehen. Das war ganz fantastisch. Wir sind alle Tierenthusiasten. Beide Male waren es Schwarzbären, die nicht aggressiv sind. Es gibt in Kanada aber auch die gefährlicheren Grizzlybären. Wenn man einige Sicherheitsaspekte beachtet, wird aber nichts passieren. Dazu gehört, dass man auf Campingplätzen kein Essen offen zurücklässt, die Tiere nicht füttert oder sie stört oder gar versucht sie zu streicheln. Es gibt sehr selten Unfälle mit Bären, wenn man diese Regeln beachtet.

Was waren eure Highlights in Kanada? Wahrscheinlich gehen da die Meinungen der Familienmitglieder auseinander, oder?

Die Kinder haben es geliebt, jeden Tag in einem See schwimmen zu gehen. Und dass wir immer draußen waren und die Natur unendliche Spielmöglichkeiten abseits von gekauftem Spielzeug bereithält. Für mich stand ein neues ungewöhnliches Leben im Mittelpunkt. Wir haben in Kanada zum Beispiel auch in einem Earthship gewohnt. Das ist ein Haus, das einsam im Wald liegt und komplett ohne Versorgungsnetz auskommt. Dort haben wir bei einer sehr alternativen Familie gewohnt, ihnen beim Bau ihrer Garage geholfen und ganz viele neue Einblicke in ein ungewöhnliches Leben gewonnen. Wir haben ihre Freunde und Familie kennengelernt und festgestellt, dass man auch abseits von Komfort in der Wildnis ein tolles Leben führen kann. Genau für solche Eindrücke sind wir aus unserer heilen Welt ausgebrochen.

Drei Erwachsene und drei Kinder und ein Hund vor einem Selbstversorgerhaus (Earthship) in Kanada

Neue Eindrücke und neue Freunde beschert die Arbeit am Earthship in Golden British Columbia. (Foto: Stefan Walter)

An der Westküste von Kanada mit Kindern entlang segeln

Gibt es Orte in Kanada, die du gern wiedersehen würdest?

Wir haben am Anfang der Reise eine Mennoniten-Kirchengemeinde auf einem Campingplatz kennengelernt. Sie haben uns herzlich in Kanada willkommen geheißen. Wir haben mit ihnen am Lagerfeuer gesessen und gesungen und Marshmallows geröstet. Am Ende unserer Reise durch Kanada mit Kindern haben sie uns nochmal in ihre Gemeinde eingeladen. Das gab ein ganz tolles Wiedersehen mit all den wunderbaren Menschen, die wir dort getroffen haben. Die würde ich gerne wiedersehen. Ansonsten würde ich gerne mit einem Boot die Westküste entlang segeln. Wir haben viele Buckelwale auf einem Whale-Watching-Trip gesehen. Einige Zeit auf einem Boot an der Küste voller Urwälder und Tiere, das hätte schon was.

Eine so lange Reise bleibt aber auch nicht ohne Tiefpunkte und Zwischenfälle. Auf welche Erlebnisse hättet ihr gut verzichten können?

  • Mückenhorden auf einigen wenigen Campingplätzen
  • Qualmende Autobremsen auf einer langen Strecke bergab
  • 3 Tage Regen am Stück beim Zelten in den Bergen
  • Sorgen vor der Abreise, ob wir das alles schaffen
  • Jonas hatte Fieber beim Zelten
Stefan Walter hockt an einem großen Grill. Darauf liegen Brötchen, und Omeletts backen in einer Pfanne. Im Hintergrund sitzt ein Kind in einem Campingstuhl und reckt eine Faust in die Luft.

Auf dem Campingplatz British Columbia werden Burger gegrillt. (Foto: Stefan Walter)

„Das Leben unterwegs ist viel einfacher als zuhause“

Und was waren eure Learnings?

Mein wichtigstes Learning: An den Rändern der Komfortzone liegt die Angst. Wenn wir es schaffen, unsere sichere Komfortzone zu verlassen, mit dem Preis, dass wir uns manchmal Sorgen machen und Ängste haben, dann haben wir einen unheimlichen Gewinn für unser Leben. Wir entwickeln uns als Familie weiter, wachsen enger zusammen, gewinnen Selbstbewusstsein und werden stärker. Das Leben auf Reisen ist nicht immer nur Sonnenschein. Genau wie zu Hause gibt es Aufs und Abs. Nur dass diese Aufs und Abs wie bei einer Achterbahn Fahrt viel intensiver sind als beim Leben zu Hause. Außerdem ist das Leben unterwegs viel einfacher als zuhause, weil man keine Verpflichtungen hat. Keine Termine, keine Fahrt zum Flötenunterricht, zur Schule oder zum Kinderturnen. Ohne Kindergarten sind die Kinder auch viel weniger krank.

Kanada ist kein Billigreiseland. Mit Zelt und eigenem Auto wart ihr vermutlich schon vergleichsweise günstig unterwegs. Was habt ihr noch getan, um das Reisebudget zu schonen?

Einen Teil der Zeit haben wir mit freiwilliger Arbeit auf Farmen verbracht. Während dieser Wochen haben wir kein Geld verbraucht. Außerdem haben wir unser Essen immer selbst auf unserem Campingkocher gekocht. Denn Essen gehen ist teuer in Kanada. Ich finde, man braucht auch die teuren Attraktionen nicht. Wir brauchen keine Themenparks, keine Skywalks, und auch keine teuren Abenteuerfahrten auf einen Gletscher hoch. Das Schöne ist, dass wir uns alles mit ein bisschen Abenteuergeist selber organisieren können. Einen Gletscher konnten wir zum Glück auf einer Wanderung zu Fuß hochlaufen. Das herrliche Bergpanorama haben wir jeden Tag auch ohne Skywalk oder Gondel bestaunt und unsere Kinder waren glücklich und zufrieden, dass sie jeden Tag in der Natur sein konnten. Wir haben unsere Zeit mit Schwimmen, Wandern und Entdecken verbracht. Das alles kostet gar nichts.

Mutter wandert mit zwei Kindern an der Hand und einem Kind auf dem Rücken bei blauem Himmel über einen Gletscher zwischen zwei vereisten Berghängen an einem Gletscherbach entlang

Eine Wanderung über den Athabasca Gletscher in British Columbia kostet nur etwas Mut. (Foto: Stefan Walter)

„Traut euch und euren Kindern etwas zu!“

Und wie teuer ist eine Elternzeit-Reise nach Kanada unterm Strich?

Das hängt sehr davon ab, was man macht und wie man reist. Ich finde das Preis Niveau sehr vergleichbar mit Mitteleuropa.

Welche Tipps gibst du anderen Eltern mit auf den Weg, die eine längere Reise nach Kanada mit Kindern planen?

  1. Macht es einfach! Traut euch und euren Kindern was zu!
  2. Macht euch weniger Sorgen! Ihr werdet euer Leben dort genauso gut hinkriegen wie hier.
  3. Kauft euch ein Auto! Nahverkehr ist abseits der Städte kaum vorhanden.
  4. Auch Homeschooling kriegt ihr hin.

Danke für die interessanten Einblicke!

Vater und Kind springen mit ausgebreiteten Armen durch flaches Wasser am Ufer eines Flusses in Kanada, der durch einen Nadelwald fließt.

Am Fluss im Yoho Nationalpark (Foto: Stefan Walter)

Mehr über Langzeitreisen und Fernreisen mit Kindern

Mehr über Stefans und Julias Reise nach Kanada mit Kindern findet ihr in ihrem neuen Reisebuch: Wahnsinnig! Glücklich! Vom Reisen mit Kindern. Ein Vater erzählt.*

In einem anderen Blogbeitrag gibt es einen Überblick über meine eigene Langzeitreise mit Kind an der Panamericana.

Ein Interview zum Thema Work and Travel mit Kind allein findet ihr hier.

Und in einem weiteren Beitrag findet ihr noch mehr Tipps, Ideen und Erfahrungen von Eltern für Fernreisen mit Kindern.

Titelseite des Buches Wahnsinnig! Glücklich!

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