Wie wir Birdwatcher wurden

Last Updated on 20. August 2020 by Gela

imageBirdwatcher haben normalerweise graue Haare und die Ruhe weg. Neuerdings sind aber auch Mama und Sohn unter die Birdwatcher gegangen. Nicht ganz freiwillig.

Nach einer erfrischenden Woche in den Bergen sind wir wieder in die tropische Hitze zurückgekehrt. Schließlich wollten wir nach der Karibik auch noch die Pazifikseite von Costa Rica kennenlernen. Die Hitze hier ist trockener, dafür aber noch heißer. Das macht gefühlt dann keinen Unterschied zur Karibikhitze. Ab morgens um neun Uhr rinnt der Schweiß, und das geht so bis nach dem Schlafengehen. Das einzige, was hilft, ist ein Bad im Meer oder im Pool. Zumindest könnte das helfen, auch wenn beide Gewässer unglaublich warm sind. Wir probieren es nicht aus. Denn der Sohn hat Badeverbot. Er hat sich am ersten Tag am Pazifik derart aufs Knie gelegt, dass es drei mal drei Zentimeter groß aufgeschlitzt ist.
imageWeil ich nicht die böse Mama sein wollte, habe ich das Baden am ersten Tag nach dem Unglück noch nicht verboten. Wir hatten einen herrlichen Badetag an einem endlos weiten, menschenleeren Pazifikstrand. Der Sohn baute Staudämme im flachen Wasser. Die Mama sah abwechselnd ihm und den bunten Aras in den schattenspendenden Bäumen zu. Zwischendurch erfrischten wir uns beide in der Brandung. Einfach ein perfekter Strandtag. Doch das Ergebnis war, dass die Wunde am Knie abends gelb wässerte. An der Hotelrezeption gab es zum Glück eine Antibiotische Salbe. Doch auch die wird nicht daran vorbeiführen, dass wir die Wunde wenigstens zwei bis drei Tage trocken halten sollten.
imageUm den schönen Pool in unsrer Urwaldlodge machen wir seitdem einen großen Bogen. Am besten gar nicht in Sichtweite kommen, denkt sich die Mama. Ablenkung bieten der Schmetterlingsgarten („Guck mal Mama, da ist der blaue Morpho!“), der Orchideengarten („Die Blumen wünsche ich mir für Omi zu Weihnachten. Die liebt die doch, oder Mama?“) und die schattige Hängemattenterrasse („Oh, prima Schaukeln!“). Damit vergehen zwei weitere Stunden ganz kurzweilig. Schließlich ist es spät genug, dass es sich lohnt, nochmal auf die Pirsch zu gehen.
imageSchon den Vormittag haben wir auf den Naturpfaden der Logde zugebracht. Die Hacienda Baru hat es als Refugio de Vida silvestre unter staatlichen Naturschutz geschafft. In direkter Strandnähe und an einigen kleinen Wasserläufen wohnen vielen Arten von Wasservögeln und Echsen, aber auch Affen, Pekaris, schwarze Eichhörnchen und sogar kleine Wildkatzen namens Jaguarundis. Die zu sehen, wäre natürlich das Größte. Aber wir geben uns auch mit anderen Säugetieren zufrieden.
imageDie Guides haben am Morgen eine große Gruppe Pekaris und eine Familie Kaimane gesichtet. Nach dem Frühstück probieren wir auf eigene Faust unser Glück. „Hast du gepupst?“, fragt der Sohn, als wir ohne spektakuläre Tiersichtung etwas enttäuscht vom Aussichtsturm wieder absteigen. „Nein, du?“, fragt die Mama zurück, die den Geruch auch in der Nase hat. Wir haben die Pekaris also immerhin gerochen. Wenig später raschelt es laut im Blätterdach. Aus der obersten Etage fallen Zweige und Blätter herunter. Schließlich sehen wir ein schwarzes Eichhörnchen fröhlich von Ast zu Ast hüpfen.
imageDurch den Wald kommt zwar keine Sonne, aber auch kein Wind. Dem Sohn stehen ständig Schweißtropfen auf den roten Wangen. Auch ich habe eine deckende Schweißschicht am ganzen Körper. Sonnenschutz und Insektenschutz fließen einfach davon. Am Meer weht endlich eine erfrischende Brise. Wir bleiben im Schatten der Bäume und sehen den Vögeln zu. Kleine Graue mit gelben Bäuchen singen wie unsre Amseln. Die handgroßen Schwarzen mit feuerrotem Rücken sitzen nie so lange still, dass man sie fotografieren könnte. Unscheinbare Spatzen hinterlegen das Meeresrauschen mit ihrem Getriller. Dann zieht eine Familie Pelikane flügelrauschend über den Himmel.

imageNach einer knappen Stunde ziehen auch wir weiter. Schließlich warten auf dem weiteren Weg noch die Kaimane auf uns – oder auch nicht. Die Kaimanfamilie hat ihren Tümpel offenbar den Wasservögeln überlassen. Die staksen unerschrocken durch die braune Brühe. Klitzekleine Vögel haben ihre eigene Methode entwickelt, um im Kaiman-Fluss zu jagen. Sie stürzen sich senkrecht von einem Ast ins Wasser und fliegen mit ihrer Beute blitzschnell wieder davon. Genauso fasziniert beobachten wir, wie kleine Basilisken übers Wasser flitzen. Im Vergleich zu Vögeln sind die kleinen Echsen ja noch richtig aufregend für die Mama. Dem Sohn ist das gleichgültig. Der kann sich auch für Vögel begeistern und das Badengehen damit wenigstens drei Stunden lang vergessen.

imageSeit wir in Costa Rica sind, fühle ich mich ein bisschen, als ob ich eine Kombination aus botanischem Garten und Zoo erkunde. Mitunter sind Faultiere, Kapuziner- und Brüllaffen fast zum Anfassen nah. Hier am Pazifik kommen noch Leguane und Basilisken am Wegrand dazu. Bei einem Stopp an der Straße sehen wir von der Brücke über den Rio Tarcoles mindestens 20 Krokodile. In Monteverde fliegen uns gleich drei Quetzalmännchen vor die Linse. Mal werden die tierischen Attraktionen quasi frei Haus serviert. Und dann wieder laufen wir einen Vormittag lang durch Urwald und sehen und hören nichts außer ein paar Vögeln. So sind wir zu Birdwatchern geworden. Das Gute ist, dass das Knie des Sohnes dabei trocken bleibt.
„Ach, ich würde jetzt gern im Pool schwimmen üben“, probiert der es nochmal, als wir zur Logde zurück kommen. Er weiß, dass ich gern hätte, dass er auf dieser Reise schwimmen lernt. Wir gehen erst mal Essen. Damit ist wieder eine Stunde vorbei. Zur Abkühlung gibts ein Eis. Dann ziehen ein paar Wölkchen auf. Es scheint, als ob der Himmel Erbarmen mit uns hätte.