Trollgesang an der Teufelskanzel – Harz mit Kleinkind

Harz mit Kleinkind - mystischer Brocken

Last Updated on 23. Januar 2022 by Gela

Beim Wandern sollst du singen, dann wird der Weg gelingen – getreu diesem Motto ziehen Mutter und Sohn ein Frühsommer-Wochenende lang durch einen der zentralen Nationalparks in Deutschland. Im Harz mit Kleinkind erwacht die Natur zu einem mystischen Eigenleben.

Harz mit Kleinkind

Freitag nachmittag, halb vier. Nach gut drei Stunden Autofahrt von Berlin aus bin ich mit meinem Vierjährigen fast am Ziel. Doch der Himmel wird immer dunkler. Die ersten dicken Tropfen klatschen auf die Windschutzscheibe. Die kleine Erkundungstour durchs Elendstal im Oberharz, die ich als Auftakt für mein Wochenende im Harz mit Kleinkind geplant hatte, können wir abhaken. Die fällt elendig ins Wasser.

Doch am Straßenrand weist ein Schild zur Glasmanufaktur Harzkristall. Der Sohn ist begeistert von dem Vorschlag. Er will wissen, wie Glas gemacht wird. Die Brockenhexe als riesengroßes Emblem über dem Eingang der alten Fabrik mit dem 60 Meter hohen Schornstein macht die Sache noch spannender. „Wer will fleißige Handwerker sehen …“

Feuer im Ofen

Harz mit Kleinkind - Glasbläser am WerkWir haben Glück und kommen gerade rechtzeitig zur letzten Führung des Tages. Harzkristall war mal ein VEB, denn Derenburg kurz vor Wernigerode liegt auf ehemaligen DDR-Gebiet. „Genossinnen und Genossen“, tönt die Stimme von Walter Ulbricht aus dem Archivschrank, wenn man ihn öffnet. Das Glas-Werk in Derenburg hat die Lampen im Roten Rathaus hergestellt, aber auch die für das Paul Löbe Haus des Bundestages.

Der Sohn interessiert sich am meisten für das Feuer im Ofen. „Wenn ich groß bin, werde ich Glasmacher“, erzählt er noch Monate später. Immer und immer wieder sieht er zu, wie der Glasmacher Glas aus dem Ofen holt, es dreht und modelliert und bläst, mehr Glasmasse holt, wieder dreht, modelliert und sie dann in die mit Wasser gekühlte Form bläst, aus der er den fertigen Lampenschirm holt. Ich dränge schließlich zum Aufbruch. Der Regen hat inzwischen aufgehört. Natürlich komme ich an dem großen Kletterspielplatz des Glaswerks mit feinem weißen Quarzsand im Harz mit Kleinkind nicht vorbei.

Viele spannende Ausflugsziele im Harz gibt es natürlich auch für Familien mit älteren Kindern. Lest, was Nadine vom Planet Hibbel und ihr Mann mit ihren beiden Rabauken beim Familienurlaub im Harz mit Kindern erlebt haben.

Wald statt Spielplatz

Das war gut so, denn unsere Jugendherberge hat leider keinen Spielplatz, obwohl IMG_2768sie als Familienherberge zertifiziert ist. Dafür haben wir viel Platz und eine herrliche Aussicht über ganz Schierke in unserem Vierbettzimmer mit Dusche und WC, das wir zu zweit nutzen. Unterm Haus rauscht die Kalte Bode durch. Das Flüsschen windet sich wenig später durchs wilde Elendstal, um danach das Bodetal zu formen.

Nach dem Abendessen wird das kleine Flüsschen für meinen Sohn die erste Station auf dem großen Naturspielplatz, den der Harz mit Kleinkind abgibt. Steine flitschen lassen, Stöckchen und Blättern beim Schwimmen hinterhersehen, dicke schwarze Nacktschnecken ärgern – wir schaffen in einer Stunde nur einen guten halben Kilometer, weil die Natur mein Stadtkind auf Schritt und Tritt gefangen nimmt. Das Moos ist eine Miniaturstadt für Zwerglein und Elfen. In den Höhlen zwischen den Felsen lebt der Waldwichtel. Wie kommen all die Felsen dorthin? Hat sie der Troll geworfen? Oh, dort steht der versteinerte Troll mit Knollennase. Und überall wachsen Trollblumen.

Harz mit Kleinkind - Wandern mit KindernDer Harz ist von Berlin aus das nächst gelegene Gebirge. Klar, die Alpen spielen in einer anderen Liga. Aber Flachlandtiroler können hier auch an einem kurzen Wochenende ihr Bergweh stillen. Vor allem mit Kindern ist das Granitmittelgebirge in der nördlichen Mitte Deutschlands ideal. Selbst die jüngsten Wanderer finden Spaß an den einfachen Wegen durch abwechslungsreiche Landschaft. Außerdem locken einige Highlights für Kids. Ein absolutes Muss im Harz mit Kleinkind ist die Brockenbahn. Die Schmalspurbahn aus dem 19. Jahrhundert erklimmt dampfend und fauchend und mit einigem Hupen den 1050 Meter hohen Brockengipfel. „Töff töff töff, die Eisenbahn …“

Klippen erklettern

Harz mit Kleinkind - Wandern am BrockenAm Samstag ist es immer noch regnerisch und viel zu kalt für Mitte Juni. Morgens um halb neun hat es in Schierke gerade mal acht Grad. Das ist definitiv kein Wetter für einen Gipfel von rund 1000 Höhenmetern der ungebremstem Nordwind mit dicken Regenwolken ausgesetzt ist. Die Schafskälte hat den Harz im Griff.

Weil ich meinem Sohn die Eisenbahn versprochen habe, laufen wir zum Bahnhof. Der Spaziergang von rund zwei Kilometern führt den Ottoweg entlang durch Mischwald mit felsigem Boden. Überall plätschert es. Oft bleiben die Rinnsale zwischen den moosbewachsenen Felsen unsichtbar. Wo sie ans Tageslicht sprudeln, ist im Harz mit Kleinkind Spielpause angesagt. Wohnt hier der Wasserwichtel? Doch nicht nur Bächlein, auch „Klippen“ säumen den Weg. So heißen im Harz die zahlreichen Granitfelstürme. Gleich den ersten kraxeln wir hinauf und machen ein Picknick.

Harz mit Kleinkind - TeufelswanderwegWir verlassen den Ottoweg und gehen bergauf weiter. „Mami guck mal, eine Wiese mitten im Wald“, freut sich das Stadtkind. Nach der kleinen Lichtung kommt ein Barfußpfad. Wir sind uns einig: Am schönsten fühlt sich das Stroh an. „Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh…“

Wandern im Harz mit Kleinkind

Der Pfarrweg führt uns hinauf zur Bahnstrecke. Der Sohn sieht sie zuerst. Er entdeckt das Andreaskreuz, das den Bahnübergang auf dem Wanderweg markiert, schon von weit unten. Als ob ich es bestellt hätte, ist aus der Ferne das Hupen des Zuges zu hören. Dann kommt das Töfftöfftöff näher. Mein kleiner Sohn legt eine Runde Speedhiking ein. Selten ist ein Vierjähriger so schnell über Stock und Steine den Berg hinaufgerannt. Ich komme in zügigem Wandertempo kaum hinterher. Wir sehen die alte Dampflok aus nächster Nähe vorbeizuckeln. Zum Bahnhof kommen wir schließlich über den breiten Bahnparallelweg. Die Holzhäuser stehen wie auf einem Modellbahnhof da.

IMG_2798Am Nachmittag wollen wir richtig klettern. Die Schnarcherklippen locken. Ihr Schnarchen werden wir zwar nicht hören, denn das erklingt nur bei Südostwind. Aber was schon Goethe beeindruckt hat, wird sicher auch meinem Sohn gefallen. Im Schierker Stadtpark führt eine Brücke über die Kalte Bode. Von dort ist es kein Kilometer mehr bis zu den Zwillingsfelstürmen – eine ideale Wanderroute im Harz mit Kleinkind. Einer der Felsentore ist den Kletterern reserviert. Wir legen uns auf einen Felsentisch und gucken von unten zu, wie sie sich geschickt hocharbeiten. Wieder sind wir uns einig: Wir wollen klettern lernen.

Doch vorerst begnügen wir uns mit dem anderen Felsturm. Er macht es uns mit steilen Eisenstiegen leicht. Ungefährlich ist der Aufstieg und erst recht der Abstieg aber auch dort nicht. Dafür genieße ich oben einen Rundumblick über Wurmberg und Brocken, während mein Sohn die Pfütze in der Felsenkuhle untersucht. Nun bin ich sicher, dass es goldrichtig war, im Tal zu bleiben, denn Wolken umwabern das Brockenhaus. Was da am Himmel herankommt, sieht nicht gut aus und treibt uns zum schnellen Abstieg an.

Kurz bevor der kalte Guss herunterrauscht, erreichen wir eine kleine Schutzhütte. Wir teilen sie uns mit den Kletterern, die sich ebenfalls schleunigst abgeseilt haben. Zeit für ein Nachmittagspicknick. Der Rückweg wird dann jedoch mühsam. Mein Vierjähriger ist müde und will nicht mehr laufen. Kein Wunder: Es ist fünf Uhr nachmittags. Wir sind mit Mittagspause seit halb neun unterwegs und haben knapp sechs Kilometer in den Waden, das viele Hin- und Herrennen an Bächen und die Klettertouren nicht mitgerechnet. Schließlich muss ich ihn ein paar Meter tragen, damit er wieder zu Kräften kommt. Dann trällern wir Lieder: Sonne liebe Sonne, Hejo spann den Wagen an, Das Wandern ist des Müllers Lust, Es klappert die Mühle am rauschenden Bach … So schaffen wir schließlich den Heimweg. Zurück in der Jugendherberge ist der Sohn immerhin so munter, dass er voller Energie in sein Hochbett klettert – und dort sofort einschläft, ohne Gute-Nacht-Lied.

Aufi dampft’s mit der Brockenbahn

IMG_2809Knapp 1000 Höhenmeter und 300 Entfernungskilometer legen wir am Sonntag innerhalb von viereinhalb Stunden zurück. Endlich spielt das Wetter mit. Die Brockenbahnfahrt steht an. Sie kostet mehr als eine Übernachtung in der Jugendherberge. Doch der Spaß ist es wert. Die Waggons haben vorne und hinten kleine Balkons. Wir stehen einen guten Teil der halbstündigen Fahrt draußen und winken Wanderern an der Strecke. Immer kleiner werden die Bäume, bis sie ganz aufhören und den Blick in alle Richtungen freigeben, als die Bahn ihr Ziel erreicht.

IMG_2801Alpenstimmung kommt auf. Weitsicht und flacher Bewuchs auf dem höchsten Harzgipfel machen es möglich. Der Sohn erinnert sich an das Burmiwasser an der Kanzelwand im Kleinwalsertal. Er wünscht sich Wasserräder am Rand des kurzen Rundwegs, den wir früh am Morgen fast für uns allein haben. Stattdessen kreuzen immer wieder kleine Wasserläufe den Weg. Beinahe alle haben eine steinerne Staumauer, als wir sie hinter uns lassen. So funktioniert Wandern im Harz mit Kleinkind. 😉

Hexenaltar und Teufelskanzel statten wir einen unerlaubten Besuch abseits des Weges ab. Ich erzähle von den Hexen und Teufeln, die hier oben zur Walpurgisnacht tanzen. Beim Brockenhaus sehen wir eine Hexe. „Das war eine echte, die hatte eine lange Nase“, meint der Sohn. – „Oder meinst du, die Nase war nicht echt?“, fragt er wenig später.

Bevor wir die Rückfahrt antreten, will der Sohn unbedingt noch eine Harzer Spezialität probieren: Erbsensuppe aus der Gulaschkanone. Das Kind isst die obligatorischen fünf Löffel – und ist angeblich satt. Am voll besetzten Biertisch lachen alle. Zur Belohnung für die gute Unterhaltung gibt es hier Bonbons, dort Schokolade und schließlich noch ein Eis. Jetzt ist er wirklich satt. Fehlt noch was zu einem gelungenen Familienausflug in den Harz mit Kleinkind?

Mein Sohn schlummert selig auf der Rückfahrt nach Berlin. Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen und tausche die Kinderlieder-CD gegen meine. „De Alto Cedro voy para Marcané, – Llego a Cueto voy para Mayarí …“

Hier gehts weiter zu noch mehr Tipps und sieben Tourenvorschlägen zum Wandern im Harz (klick).

 

1 Kommentare

  1. Klingt nach einer tollen Zeit im Harz! Als Kind waren wir in der Region öfter im Urlaub, damals aber noch mit Grenze, also nur im Ostteil unterwegs. Ich habe auch wunderbare Kindheitserinnerungen daran, ein einziger großer Abenteuerspielplatz so habe ich es auch in Erinnerung! Ich muss da direkt mal wieder hin fällt mir da auf.

    Lg da wo die Sonne als erstes aufgeht in Deutschland
    Ina

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